Ueber die Nerven der menschlichen Haut.
[Virchows Arch. 44, 325–337 (1868).]
Von Paul Langerhans, Stud. med. in Berlin.
(Hierzu Taf. XII.)
Die anatomischen Kenntnisse von den Hautnerven und ihren Endapparaten genügen in keiner weise für eine Erklärung der mannigfachen Functionen der Haut, welche uns die physiologischen Untersuchungen gelehrt haben. Die Tastkörper, von denen man einst eine vollständige Erledigung all’ jener Fragen erwartete, sind im Laufe der Zeit immer räthselhafter geworden‚ und wenn man selbst der Annahme W. Krause’s beistimmt, welcher für je sieben Quadratlinien unserer Haut ein Tastkörperchen annimmt, selbst dann genügen diese keineswegs allen Anforderungen der Physiologie, abgesehen davon, dass jene Krause’sche Hypothese nur auf unsicheren Füssen ruht. — Ausserdem kennt man seit längerer Zeit bei einigen kleinen Säugethieren 1) sowie beim Frosche Netze blasser Nervenfasern, die am genauesten in der Haut der Maus untersucht worden sind. Wenn man nun auch das Vorkommen solcher Netze nach den Untersuchungen Tomsa’s 2) zweifellos auf die menschliche Haut übertragen kann, so führt auch das die oben erwähnten Fragen der Lösung nicht näher, namentlich nachdem durch die Cohnheim’sche Arbeit 3) über die Hornhautnerven der so verbreitete Glaube an den terminalen Charakter blasser Nervennetze einen empfindlichen Stoss erlitten hat.
1) Kölliker, Gewebelehre 1867. S. 111.
2) Wiener medicin. Wochenschrift 1865. No. 53.
3) Dieses Archiv Bd. XXXVIII. S. 343.
Die Untersuchungen Tomsa’s endlich, welche zu der Annahme nervöser Endzellen in der Lederhaut führten, sind vor jener Cohnheim’schen Arbeit angestellt und liessen die jetzt für alle sensiblen Nerven unabweisbare Frage nach dem Verhalten zum Epithel um so mehr unbeachtet, als sich bei der Methode, die Tomsa anwandte, der Maceration in Alkohol und Salzsäure, die gesammte Oberhaut in toto von dem Corium abhebt. Diese Frage aber, nach dem Verhalten der Hautnerven zum Epithel ist es, welche den leitenden Gesichtspunkt meiner Untersuchung bildete, und hoffentlich auch eine Verwerthung im Dienste der Physiologie gestattet.
Meine Untersuchungen habe ich im pathologischen Institut zu Berlin angestellt und mich der bereitwilligsten und freundlichsten Unterstützung von Seiten des Herrn Prof. Virchow sowohl als des Herrn Dr. Cohnheim zu erfreuen gehabt.
Die Methode, deren ich mich fast ausschliesslich bedient habe, ist die von Cohnheim empfohlene Behandlung der Gewebe mit einer halbprocentigen Goldchloridlösung. Nicht nur lebenswarme Gewebe sind im Stande, das Gold zu reduciren, sondern auch solche, die mehrere Stunden, ja 1–2 Tage nach dem Tode der Leiche entnommen werden. Die Schönheit der Vergoldung, die Klarheit der Bilder steht allerdings im umgekehrten Verhältniss zu der seit dem Tode verflossenen Zeit. Man ist indess für die meisten Theile der menschlichen Haut auf Leichen angewiesen; fast nur die Haut der Extremitäten kann nach Amputationen frisch zur Untersuchung gelangen. Deshalb ist diese ausgedehntere Anwendbarkeit des Chlorgoldes für die menschliche Histologie sehr erwünscht. Einfach abgetrennte Hautstücke zu vergolden gelingt indess keineswegs; die Dicke des Organes verbunden mit der fast vollkommenen Undurchdringlichkeit der Hornschicht hindert eine vollständige Durchtränkung mit der Goldlösung. Die Entfernung der Oberhaut vor der Vergoldung nach momentanem Eintauchen des Hautstückes in siedendes Wasser ist deshalb für die Untersuchung der Nerven der Lederhaut von Nutzen, während sie natürlich eine Beobachtung des Verhaltens der Nerven zum Epithel vollkommen unmöglich macht. Zu diesem Zwecke entfernte ich das Unterhautgewebe und einen möglichst grossen Theil des Corium selbst durch flache Scheerenschnitte, und legte die so zubereiteten Hautstücke derart in die Goldlösung, dass die Oberhaut dem Boden des Gefässes zugewendet war. Es erfolgt dann leicht eine vollkommene Durchtränkung des Präparates. Dasselbe erreicht man, wenn man von frischer Haut lange schmale Streifen von der Dicke eines oder zweier Millimeter anfertigt, was mit Hülfe von Korkplatten leicht gelingt. Die Zeit, welche die Hautstücke in der Goldlösung zubringen müssen, ist eine sehr verschiedene. Fast immer war nach einer Stunde eine genügende Durchtränkung der schmalen Streifen erfolgt, während für die anders zubereiteten Stücke zwei, drei, ja vier Stunden erforderlich waren. Die Reduction des Goldes tritt meist nach zwei bis drei Tagen ein; bisweilen jedoch sind deren vier bis sechs nothwendig. Ist sie vollendet, so ist es oft nützlich, durch Einlegen in Alkohol eine weitere Härtung zu bewirken. Dies und das Einschmelzen in Paraffin ermöglichen die Anfertigung feiner Schnitte, zu deren Aufhellung Essigsäure und Kreosot angewendet wurden. Namentlich das Kreosot leistet hier ganz vorzügliche Dienste, weil es, wie kein anderes Reagens, die nicht vergoldeten Theile, besonders die elastischen Fasern, vollkommen durchsichtig macht.
Die Nerven treten bekanntlich vom Unterhautgewebe aus in die Lederhaut ein. Sie stellen in den tiefen Lagen derselben breite Stämmchen dar, grösstentheils aus marklosen Fasern bestehend, denen jedoch immer ein oder mehrere markhaltige Nerven zugesellt sind. Die Zahl der markhaltigen Nerven ist eine bedeutend grössere an denjenigen Theilen der Haut, an denen Tastkörper in grösserer Menge regelmässig sich vorfinden, namentlich an Hand und Fuss; dasselbe gilt für die Haut der Eichel. Die beschriebenen Nervenstämme können in keiner Weise mit den Gefässen verwechselt werden, welche im Ganzen dieselbe Richtung innehalten. Ausserdem besitzen in den tieferen Lagen der Haut noch die zahlreichen Bindegewebskörper und die Schweissdrüsen die Fähigkeit, das Gold zu reduciren; an die Möglichkeit einer Verwechselung beider mit Nerven ist natürlich ebensowenig zu denken, als an einer Verkennung der Haarbälge, deren Papille von einer überaus reichen Menge doppelt contourirter Nerven umgeben wird. Die Stämmchen, deren gemeinsame Scheide meist sehr deutlich zu erkennen ist, treten nun, in mehr oder weniger schräger Richtung vordringend, in die oberen Lagen des Stratum reticulare der Lederhaut ein, um sich hier ziemlich schnell in ein engmaschiges überaus reiches Geflecht vollkommen markloser Fasern aufzulösen. Die Art dieser Auflösung, sowie das plötzliche Aufhören des Markes habe ich in Taf. XII. Fig. 2 dargestellt; sie ist nach einem Präparate von der Rückenhaut gezeichnet, also von einer Stelle, an der die markhaltigen Fasern sehr gegen die marklosen zurücktreten. Das Nervennetz zeigt hier alle jene Eigenthümlichkeiten, die man als charakteristisch für diese Netze kennt; es ist besonders ausgezeichnet durch eine grosse Menge von Kernen, die sich sowohl in die einzelnen Fasern eingelagert finden, als auch an den Stellen, an denen mehrere zusammenstossen. Die Fasern selbst erscheinen theils als blassrothe ziemlich breite Streifen, theils als ganz feine Fäden, denen nur seitlich Kerne angelagert sind. Ich verweise hier auf die Darstellung in Fig. 1, welche derselben Rückenhaut entnommen ist, wie Fig. 2. Während nun dies Netz, das aus mehreren über einander liegenden Schichten besteht, anfangs aus meist mehrere Fasern enthaltenden Zügen gebildet ist, löst es sich nach dem Rete Malpighii zu in immer feinere Fasern auf, die schliesslich als lange Linien unmittelbar unter dem Rete hinziehen, oder, reichlich mit Kernen versehen, in die Papillen selbst eintreten, je nachdem die Hautstelle Papillen besitzt oder nicht. Den Eintritt markhaltiger Fasern in sogenannte Gefässpapillen habe ich nicht beobachtet. Wohl aber treten marklose Nervenfasern in die Papillae nervosae ein, während die doppelt contourirten Fasern der Tastkörper, ohne sich an der Bildung des blassen Nervennetzes zu betheiligen, ihrem Ziele zustreben. Der Verlauf der Gefässe in den oberen Schichten der Lederhaut ist so bekannt, dass an eine Verwechselung mit nervösen Fäden, die an so vielen anderen Organen Gegenstand der wissenschaftlichen Discussion gewesen ist, hier gar nicht gedacht werden kann, selbst ganz abgesehen von den bedeutenden Unterschieden in der Gestalt und Dicke beider Gebilde. Ebensowenig ist eine Verwechselung möglich zwischen den Bindegewebskörpern, welche hier überaus reiche und schöne Netze bilden, deren prachtvolle Bilder nicht selten an die bekannten Verhältnisse in der Hornhaut erinnern, und den Nervenfasern, wenngleich bisweilen kurz abgeschnittene Nerven Aehnlichkeiten darbieten mit den Fortsätzen der Bindegewebskörper. Indess der leicht zu constatirende Zusammenhang der letzteren mit dem Geflecht der sternförmigen Elemente des Bindegewebes, der Nerven mit den so charakteristischen langen Fasern sichern auch hier gegen eine solche Täuschung.
Die Verhältnisse des hier geschilderten Netzes blasser Nerven entsprechen vollkommen den in der Haut der kleinen Säugethiere und des Frosches bekannten, namentlich dem bekannten Netze in der Nickhaut des letzteren.
Auch von der Schilderung, die Tomsa von den Nerven der menschlichen Hand gibt, weicht die meinige nicht wesentlich ab. Tomsa isolirte Theile des Nervennetzes durch andauerndes Kochen in Alkohol und Salzsäure, eine Methode, die ich mit dem besten Erfolge an frischen wie an vergoldeten Hautstücken anwandte. Es gelang mir jedoch in keiner Weise die Beobachtungen Tomsa’s über terminale Ganglienzellen zu bestätigen. Nie vermochte ich Gebilde zu finden, die wesentliche Abweichungen von den Bildern geboten hätten, welche naturgemäss entstehen müssen, wenn die Nervenfasern kurz hinter der Stelle einer Kerneinlagerung abreissen. Da ich nun andererseits die Nerven über diese Schicht der Lederhaut hinaus verfolgen konnte, so ist die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, dass den Tomsa’schen Terminalganglien nur die Bedeutung einfacher Kerneinlagerungen, nicht die wirklicher Endapparate zukomme, eine Möglichkeit, die durch die kurzen wie abgerissenen Fortsätze der Tomsa’schen Zellen nicht unwahrscheinlicher gemacht wird. Ich will jedoch auch hier aus drücklich hervorheben, dass mehrere Arten der Nervenendigung sehr wohl denkbar wären und dass die weitere Verfolgung der Nervenfasern über die Region der Tomsa’schen Ganglien hinaus keineswegs ein sicherer Beweis gegen ihren terminalen Charakter sein kann.
Man sieht nun von den feinsten und oberflächlichsten Lagen des beschriebenen Netzes markloser Nervenfasern leicht feine nervöse Fasern die Grenze der Lederhaut überschreiten und in das Rete Malpighii eintreten (Fig. 3). Dies gilt sowohl für die Stellen, an denen keine Papillen sich finden, als für die Hautprovinzen, welche mit grösseren Papillen versehen sind. In die letzteren entsenden die in die Papillen eingetretenen Nerven die erwähnten feinen Fasern, und eine solche Stelle ist es, der die Zeichnung in Fig. 3 entspricht. Auf die Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit eines solchen Verhaltens der Nerven hat Kölliker in der neuesten Auflage seiner Gewebelehre ausdrücklich hingewiesen, und die Beschreibung, die er ebenda (S. 111) von den Hautnerven der Maus gibt, lässt ein Gleiches auch bei dieser erwarten. Ein besonders günstiges Object für die Feststellung dieses Verhaltens ist die Nickhaut des Frosches, an der man mit der grössten Leichtigkeit den Eintritt der Nerven in das Epithel fest stellen kann. Der weiteren Verfolgung dagegen stellen sich auch hier unerwartete Schwierigkeiten entgegen.
So leicht sich im Allgemeinen der Eintritt von Nervenfasern in das Rete Malphighii feststellen lässt, so schwer ist die Verfolgung derselben in dieser Schicht. Es hängt das von verschiedenen ungünstigen Umständen ab, unter denen die unvermeidliche starke Vergoldung der unteren, d. h. dem Corium zunächst liegenden zwei bis drei Zellreihen des Rete Malpighii in erster Linie steht. Diese unbequeme Vergoldung, welche in geringerem Grade in den unteren Schichten des Nickhaut- und Hornhautepithels eintritt, hat wohl in der grösseren Weichheit, dem grösseren Feuchtigkeitsgehalte der tiefsten Lagen aller Epithelien ihren Grund. Sie bleibt, wenn überhaupt eine brauchbare Vergoldung des Präparates eingetreten ist, niemals ganz aus und verbindet sich in der Haut mit einem dunklen Goldniederschlag auf den Pigmentkörnchen der unteren Schichten des Rete. Während diese Pigmentirungen an Vola und Planta, wie es scheint, meist fehlen, finden sie sich fast regelmässig an allen anderen Stellen der menschlichen Haut, und zwar meist, wie bekannt, innerhalb der Epithelzellen. In vereinzelten Fällen jedoch fand ich auch zwischen den Zellen Reihen brauner Pigmentkörnchen, von denen ich nicht anzugeben vermag, ob sie verästelten Pigmentzellen angehören, oder ob sie einfach zwischen die Zellen erfolgte Pigmentablagerungen sind. Dieselben können für die Verfolgung der Nerven um so hinderlicher werden, als sie bei unvollständiger, misslungener Vergoldung bisweilen die einzigen Theile des Rete Malpighii sind, auf denen Goldniederschläge erfolgten. Sie täuschen dann leicht Bilder vor, die den varicösen Nervenfasern, z. B. auf der Hornhaut des Meerschweinchens, ungemein ähneln. Bei einiger Uebung gelingt es indess um so leichter, derartigen Verwechselungen zu entgehen, als diese Pigmentirungen ausschliesslich innerhalb der ersten zwei oder drei Zellreihen des Rete vorkommen.
Sehen wir aus diesen Gründen einstweilen von der weiteren Verfolgung der Nerven ab, und werfen einen Blick auf die höheren Schichten des vergoldeten Rete Malpighii, so fällt uns an jedem gelungenen Präparat eine bedeutende Anzahl dunkler Körper auf, deren tief-violette bis blauschwarze Färbung scharf absticht von der gleichmässig hellrothen Farbe der Epithelzellen.
Aehnliche Gebilde sind bereits mehrfach beschrieben worden. Kölliker erwähnt „sternförmige Körper“ zweifelhaften Charakters in dem Rete der Maus 1). Alfred v. Biesiadecki 2) hat im menschlichen Rete „Wanderzellen“ beobachtet, welche vielleicht zum Theil hierhergehören, obwohl ihre Gestalt und Vertheilung wesentlich von der unserer Zellen abweicht und ihr hänfiges Fehlen in gesunder menschlicher Haut auf eine ganz differente Bedeutung schliessen lässt.
1) Gewebelehre 1867. S. 111.
2) Beiträge zur physiolog. und pathol. Anatomie der Haut. Aus dem LVI. Bande der Sitzungsber. der kgl. Akad. der Wissensch. II. Abth. Juni-Heft. Jahrgang 1867.
Endlich hat Joh. Kisselew in einer vorläufigen Mittheilung birnförmige Zellen im Epithel der Harnblasenschleimhaut beschrieben, welche mit den Nerven in Zusammenhang stehen.
Unsere dunklen Körper (Taf. XII. Fig. 4) zeigen eine höchst auffallende Gestalt, welche einem Stern meist so unähnlich ist, dass ich die Bezeichnung der sternförmigen nicht auch auf sie anwenden möchte. Sie besitzen einen rundlichen, oft mehr oder weniger oblongen Leib, in dem die dunkle Goldfärbung nur selten einen Kern deutlich wahrzunehmen gestattet. Von diesem Leibe aus entsenden sie eine wechselnde Zahl zierlicher Ausläufer, von denen einer nach abwärts gerichtet ist, während alle übrigen dem Stratum corneum zugewandt sind und entweder sofort, oder nachdem sie eine kurze Strecke der Hautoberfläche parallel gelaufen sind, fast senkrecht in die Höhe streben. Sie enden mit einer leichten aber deutlichen knopfförmigen Anschwellung unmittelbar unter der Grenze zwischen Rete und Hornschicht. Alle diese Verhältnisse lassen sich indess durch die Beschreibung schlecht schildern; und ich verweise deshalb auf die Zeichnung derselben in Taf. XII. Fig. 4; sie stammt von der Volarfläche eines amputirten Vorderarmes. Länge und Zahl dieser peripheren Ausläufer sind ungemein verschieden. Die letztere schwankt zwischen zwei und zehn, und beträgt in der Regel fünf. Man kann dies indess an Querschnitten durch die Haut nie ganz genau feststellen, denn oft findet eine Theilung der Ausläufer statt, oder leichte Unregelmässigkeiten in ihrem Verlauf, Abweichungen von der angegebenen Richtung, wie man am besten an ganz feinen Flachschnitten durch die oberen Schichten des Rete Malpighii erkennen kann. Man vermag an ihnen natürlich die Leiber der beschriebenen Körper nicht zu sehen und die zierlichen Bilder der Ausläufer ähneln so in hohem Maasse den bekannten Nervenenden der Hornhaut (Fig. 7).
Die Länge der Ausläufer ist wesentlich bedingt durch die Höhe der über dem Leibe unserer Zellen liegenden Schichten des Rete. An den meisten Hautstellen liegen die Körperchen in der vom Corium an gerechnet, dritten bis fünften Zellreihe des Rete und die Länge der Ausläufer schwankt dann zwischen 0,016 Mm. und 0,032 Mm. erreicht jedoch nur selten die letztere Zahl, während der Leib der Zellen meist 0,013 Mm. lang ist. Diejenigen Hautstellen jedoch, an denen wir stärker entwickelte Papillen haben, zeigen namentlich in den sogenannten Zapfen Körperchen mit beträchtlich längeren Ausläufern. Dieselben erreichen nicht selten eine Länge von 0,064 Mm. Die Endigungsweise der peripheren Ausläufer ist immer dieselbe: sie enden scharf und bestimmt mit leicht knopfförmiger Anschwellung immer noch im Bereiche des Rete Malpighii, aber meist stark an seiner Grenze gegen das Stratum corneum hin. Die Art der Endigung kann man namentlich auch durch die Isolirung der vergoldeten Zellen gut zur Anschauung bringen. Kurzes Kochen in verdünnter Kalilösung ist hierzu sehr geeignet. Auch ohne Anwendung des Goldes konnte ich an frischgehärteten Hautstücken nach Aufhellung durch verdünnte Essigsäure bisweilen diese Ausläufer und ihre Endigung wahrnehmen, allerdings nur in einzelnen besonders günstigen Fällen, während für eine genauere Untersuchung das Gold unentbehrlich war.
Die Verhältnisse, welche ich hier geschildert habe, sind keineswegs in allen Präparaten so klar und deutlich zu übersehen, die man auf dem angegebenen Wege gewinnt. Bisweilen tritt eine Vergoldung der Contouren der Epithelzellen ein, welche zwar von diesen sehr schöne Bilder gibt, aber unsere Körperchen nur als Intumescenzen der Contouren erscheinen lässt, während von ihren Ausläufern wenig oder gar nichts zu sehen ist. Indess auch an solchen, eigentlich misslungenen Präparaten, die namentlich an der Cadavern entnommenen Haut relativ häufig entstanden, gelingt es bei der nöthigen Ausdauer, meist Ausläufer zu entdecken, welche quer über die ungefärbten Epithelzellen oder deren Kerne hinweglaufen. Trotzdem könnte dies die Zweifel an der Unabhängigkeit der Ausläufer von den Contouren der Epithelien kaum definitiv beseitigen, wenn nicht in den meisten Fällen, namentlich aber an frischer Haut, die Zellcontouren fast gar nicht oder nur schwach rosaroth gefärbt wurden, während unsere Körper mit all’ ihrem Zubehör eine dunkelviolette bis blauschwarze Färbung annehmen.
Gelingt es nun so leicht, die Selbständigkeit unserer Zellen zu erweisen, so ist die Frage nach ihrer Natur eine viel schwerer zu beantwortende. Epithelzellen können sie nach ihrer Gestalt nicht sein; es handelt sich somit um die Frage: bindegewebig oder nervös? Auf den ersten Blick scheint es nicht unwahrscheinlich, dass diese Gebilde dem Bindegewebe anzureihen seien, in Rücksicht namentlich auf die nicht unbedeutende Aehnlichkeit mit den bekannten Pigmentzellen in den Epithelien vieler Thiere. Das Vorkommen ähnlicher Zellen in der menschlichen Haut wäre so eine allerdings ebenso unerklärte, aber nicht besonders auffallende Thatsache.
Gegen diese Auffassung sprechen indess mehrere gewichtige Gründe.
Einmal sind unsere Körper niemals mit Pigment gefüllt, auch nicht in den Fällen, in denen eine besonders reiche Pigmentirung des Rete sich findet. Im Gegentheil, gerade in diesen Fällen heben sich unsre Zellen in ihrer schönen und klaren Goldfarbe sehr auffallend ab von den dunkelkörnigen Epithelzellen. Sodann ist die Reaction unsrer Körper auf Gold eine viel intensivere, als sie gewöhnlich bei den bindegewebigen Elementen zu sein pflegt, ein Argument, auf das ich indess keinen grossen Werth legen kann. Endlich aber sprechen zwei Umstände sehr entschieden gegen eine Auffassung unserer Zellen als bindegewebige und für ihre nervöse Natur: ihre Gestalt und das Verhalten des einen centralen Fortsatzes.
Die Gestalt unserer Zellen, namentlich die Menge, Richtung und Endigungsart ihrer peripheren Ausläufer ist eine von allen bekannten Formen der Bindegewebsgruppe vollständig abweichende. Ich verweise hier wieder auf Fig. 4, die besser als jede Beschreibung gegen die bindegewebige Natur unserer Zellen spricht. Die Berechtigung aber, allein aus der Gestalt der Gebilde Schlüsse zu ziehen auf ihre Natur, ist vollkommen zweifellos. Beruht ja doch auf ähnlichen Schlüssen fast unsere ganze Kenntniss von den Enden der Sinnesnerven. Richtiger aber und für die endgültige Erledigung unerlässlich ist jedenfalls der Beweis des Zusammenhanges mit nervösen Fasern, ein Zusammenhang, den ich in einzelnen Fällen gesehen zu haben glaube. Ich habe oben erwähnt, dass, während die meisten Ausläufer der beschriebenen Körper sich peripherisch dem Stratum corneum zuwenden, ein Ausläufer eine ihnen entgegengesetzte Richtung einschlägt und nach abwärts zur Lederhaut sich begibt. Den Durchtritt dieses Fortsatzes durch die unteren Zellreihen des Rete Malpighii und seinen Eintritt in das Gebiet der Lederhaut festzustellen, gelingt, wenn auch der oben angeführten Schwierigkeiten wegen nicht immer, so doch so oft, dass an einer Regelmässigkeit dieses Verhältnisses gar nicht zu zweifeln ist (Fig. 4, 6). Dies ist namentlich in den Fällen leicht, in denen das gesammte Epithel einen bläulichen Farbenton angenommen hat, gegen den die dunkle Färbung unserer Körperchen auf das schärfste sich abhebt. Ungleich schwieriger ist es, den weiteren Verlauf dieses Fortsatzes in der Lederhaut selbst festzustellen, zumal da natürlich nur sehr selten ein Schnitt so glücklich fällt, dass man denselben feinen Faden eine so bedeutende Strecke lang verfolgen kann. Es gelang mir jedoch in mehreren Fällen, den in die Lederhaut eingetretenen Fortsatz als längeren rothen Faden in derselben verlaufen zu sehen, wie ich dies auf Fig. 6 gezeichnet habe. Ich glaube nicht, dass man berechtigt ist, diesem langen Fäden einen anderen Charakter zuzuschreiben, als den von Nervenfasern. Denn einerseits ist es vollkommen sicher, dass ganz ähnliche nervöse Fasern von dem Nervennetze der Lederhaut aus in diese Theile der Haut treten, ja noch weiter zu verfolgen sind, wie ich oben genauer auseinandergesetzt habe — andererseits existirt ausser den Nerven hier nur Bindegewebe und die Länge der beobachteten Fasern scheint mir eine Deutung im Sinne der bindegewebigen Natur derselben zu verbieten. Vollkommene Sicherheit konnte ich jedoch darüber nicht erlangen, und ich hebe ausdrücklich die Möglichkeit hervor, dass unsere Körper im Rete möglicherweise mit dem Netze der Bindegewebskörper zusammenhängen können. Ich kann die Frage nach ihrer Natur also noch nicht als erledigt ansehen, und wenn ich selbst jetzt ohne eine definitive Lösung derselben einstweilen von der weiteren Verfolgung abstehe, so liegt das lediglich daran, dass ich die Schwierigkeiten des Objectes zu überwinden nicht im Stande bin und eine vollkommenere Methode noch nicht aufzufinden vermag.
Die Frage nach der Natur der beschriebenen Zellen im Rete Malpighii kann ich somit dahin beantworten: dass dieselben höchst wahrscheinlich nervöse Gebilde und die peripheren Enden ihrer Ausläufer als Enden der Hautnerven zu betrachten sind. Lassen wir nun die nervöse Natur unserer Zellen gelten, so wirft sich naturgemäss die weitere Frage auf: welche von den bekannten physiologischen Leistungen der Haut sich durch ihr Vorhandensein erklären lassen?
Zu diesem Zweck ist es unerlässlich, einige Angaben über Zahl und Ort des Vorkommens der beschriebenen Zellen zu machen, welche sich übrigens auch beim Neugebornen leicht nachweisen lassen.
Dieselben bilden an allen Hautstellen, an welchen die Papillen flach sind oder ganz fehlen, eine regelmässige Reihe, ungefähr parallel der Oberfläche des Integumentum commune (Fig. 4). Sie stehen in der dritten, vierten oder fünften Zellreihe des Rete Malpighii, ungefähr durch zwei bis sechs Epithelzellen von einander getrennt. Ihre Zahl beträgt am Vorderarm auf einer einen Millimeter langen Strecke 24–30, also auf ein Hautstück von der Grösse eines Quadratmillimeters ungefähr 500–900. An den anderen Hautstellen von gleicher Beschaffenheit, d. h. mit flachen Papillen, zeigen sich keine bedeutenden Zahldifferenzen. Ebensowenig ist dies der Fall an den mit Tastkörpern begabten Hautstellen, an den Händen und Füssen. Beziehungen der beschriebenen Zellen zu den Tastkörpern konnte ich in keiner Weise entdecken. Unsere Zellen umgeben die Papillae nervosae wie die Gefässpapillen, ebenso wie auch die feinen marklosen Nervenfasern in gleicher Weise in beide eintreten, die Menge unserer Zellen ist jedoch anscheinend gering, sie umgeben zwar die Köpfe der Papillen in grösserer Anzahl (Fig. 5), drei, fünf, ja zehn und mehr auf eine Papille, aber an den Wänden derselben, in den als Zapfen bekannten Theilen des Rete finden sie sich nur in beschränkter Anzahl. Die peripheren Ausläufer namentlich der letztgenannten Zellen erreichen meist eine bedeutende Länge, weil auch sie selten weit unterhalb der oberen Grenze des Rete enden. Im Ganzen kommen an diesen Hautstellen auf ein gleiches Stück Haut ebensoviel oder etwas mehr von unsern Zellen, während im Verhältniss zu der enorm grossen Berührungsfläche zwischen Corium und Rete ihre Anzahl nur gering erscheint. Aus diesen Angaben folgt zweifellos, dass von einer Beziehung unserer Zellen und ihrer Ausläufer zu dem Weber’schen Ortssinne keine Rede sein kann; es ist ja überhaupt sehr zweifelhaft, ob man die Erklärung für diesen in der Zahl oder Anordnung der terminalen Nervenapparate suchen darf, oder ob wir auf die Nervenstämme, vielleicht sogar auf centrale Einrichtungen recurriren müssen. Der Ortssinn hat indess ebensowenig wie die anderen an verschiedenen Theilen der Haut verschiedenen Fähigkeiten dieses Organes, mit dem einfachen Gefühl etwas zu thun. Ueberall empfinden wir eine Berührung als solche, während die Reizung der Stämme etc. von ganz anderem Erfolge begleitet wird; für die zu dieser einfachsten, verbreitetsten Function der Hautnerven erforderlichen Endpunkte glaube ich, die beschriebenen Enden der Nerven ansehen zu dürfen. Inwieweit sie mit dem Temperatur- oder Drucksinne zu thun haben, lässt sich nicht angeben. Vielleicht sind für diese noch andere Arten der Nervenendigung vorhanden, vielleicht genügen unsere knopfförmigen Enden.
In dieser Beziehung ist das Vorkommen unserer Zellen an zwei anderen Orten interessant: an der Glans penis und im Haarbalg. An der Eichel finden sich unsere Zellen etwas spärlicher als in den anderen Hautprovinzen; ich zählte durchschnittlich auf einen Schnitt von der Länge eines Millimeters deren vierzehn bis achtzehn. Sie sind jedoch hier ausgezeichnet durch ihre etwas höhere Lage, welche bei der bekannten Feinheit des Stratum corneum an diesem Theile der menschlichen Haut eine auffallend oberflächliche Lagerung derselben herbeiführt.
Am Haarbalg finden sich unsere Zellen in der äusseren Wurzelscheide. Bei den sehr bedeutenden technischen Schwierigkeiten, welche sich der Untersuchung dieser Gebilde entgegenstellen, gelang es mir nur selten, die Verhältnisse hier klar zu übersehen. Sie boten indess in allen den Fällen, in denen dies glückte, so wenig eine Abweichung von dem an der Haut constant beobachteten, dass ich wohl annehmen darf, das selten Gesehene sei regelmässig vorhanden. Auf Längsschnitten gelingt es leicht, unsere Zellen in der äusseren Wurzelscheide des Haarbalges wahrzunehmen. Sie sind hier in nicht unbedeutender Anzahl vorhanden; ich vermag jedoch weder anzugeben, wie weit nach abwärts sie sich finden, noch gelang mir eine Feststellung ihres Verhaltens zur Haarpapille. Auf Querschnitten erkennt man, dass die Leiber unserer Zellen in der zweiten und dritten Zellreihe der äusseren Wurzelschicht sich befinden (Fig. 8), während ihre auffallend feinen und zahlreichen Ausläufer nicht weit von der inneren Wurzelschicht enden.
Zum Schluss will ich noch bemerken, dass auch an der Stelle wo der Ausführungsgang der Schweissdrüsen in das Rete Malpighii mit einer trichterförmigen Verdickung seiner Wandung sich einsenkt, unsere Zellen sich finden. Sie umgeben in einer oder zwei übereinanderstehenden Reihen diese trichterartige Anschwellung, während weiter nach dem Drüsenknäuel zu an dem eigentlichen Drüsengange sie sich nicht vorfinden.